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Re: [FYI] Justizminister droht Providern "Daumenschrauben" an



On Wed, Nov 29, 2000 at 12:51:43PM +0100, Holger Voss wrote:
> Holger Veit schrieb:
> > > Aber was mir wichtiger ist: Wenn wir / wenn sich Techniken im Internet
> > > etablieren, die einen Ausschluß bestimmter Inhalte ermöglichen, dann werden
> > > diese Techniken mit Sicherheit auch gegen andere unliebsame Inhalte
> > > eingesetzt.
> >
> > Hmmm, ich befuerchte eher, dass sich Systeme bilden werden, die Inhalte
> > nur noch fuer einen begrenzten Nutzerkreis bereitstellen werden.
> 
> Ich meinte Informationen, deren UrheberInnen ein Interesse an unentgeltlicher,
> aber eben auch unzensierter Veröffentlichung haben.
>    Du meinst vermutlich Informationen, deren UrheberInnen / Rechte-InhaberInnen
> kommerzielle Interessen verfolgen. In diesem Bereich sehe ich die von Dir
> genannte Gefahr auch.

Ich gehe da noch viel weiter, indem ich behaupte, dass Informationen ersterer
Art durch die zweite Kategorie entwertet werden. Koelsch gesprochen: was nix
kost', das iss auch nix. Oder anders: ich kann mir durchaus vorstellen, dass
Informationen frei verfuegbar sind, dann aber im Rahmen einer (religioesen
oder auch nicht) Mission des Urhebers. Darin unterscheiden sich weder
Werbeinfos noch Stallmans Feldzug in Sachen GPL. Erstere wollen eine Ware
an den Mann bringen, letzterer eine Idee. Auch die neue Open Source Mode
verkauft etwas: sie steckt naemlich eigene Claims fuer die Zukunft ab.
Spaeter kann etwa Sun dann auf ein eigenes Portfolio an publizierten und
patentierten Ideen zurueckgreifen und Mitbewerber ausschalten. Das Prinzip 
ist hier ein anderes als bei einem GPL-Linux: wer in den Linux-Sourcecode
sieht, wird durch GPL verseucht; wer in Sun Java o.ae. hineinsieht, kann sich
eine unvergiftete Blackbox-Implementierung etwa einer Java-VM abschminken.
TANSTAAFL. 

> > Dies
> > ist bereits heute teilweise gegeben, man versuche beispielsweise ohne
> > ein nachgewiesenes wissenschaftliches Interesse an bestimmte Publikationen
> > zu gelangen. Bibliothekare fuehren seit langem "Giftschraenke" [...]
> 
> Eben diese Hürde ist durch das Internet doch deutlich geringer geworden.

Wirklich? Bloss weil einem jede Suchmaschine auf Anhieb zig Kopien von
"Mein Kampf" liefern kann, heisst das noch lange nicht, dass ploetzlich
allerorten eitel Informationsfreiheits-Sonnenschein herrscht.

> > Andererseits aber kann man auch heute so ziemlich alles Denkbare und
> > Machbare bekommen, wenn man nur hinreichend gute Kontakte und ausreichend
> > Tauschmittel ("Geld") hat.
> 
> Oder Internetzugang, technische Medienkompetenz (zumindest
> Suchmaschinen-Bedienung) und 'n bißchen Geduld.

Nach dem Motto: abwarten, bis der Autor 70 Jahre tot ist und die Erben das
Werk nicht mehr neuauflegen und das Urheberrecht nochmal verlaengert wird?
Schickelgruber im Projekt Gutenberg im Jahre 2015?

Schoen, dass es Grimms Maerchen frei zum Download gibt, aber nicht so ganz
das, was gerade hip ist. Informationen haben eine Halbwertszeit.

[...]
> > Woher nimmst Du diesen Optimismus? "Access" ist bares Kapital fuer
> > denjenigen, der die Resourcen hat [...]
> 
> Reden wir von Ressourcen (Inhalten), deren UrheberInnen / Rechte-InhaberInnen ein
> Interesse an unentgeltlicher Veröffentlichung haben, oder von Inhalten, deren
> UrheberInnen / Rechte-InhaberInnen kommerzielle Interessen verfolgen?

Inhalte allgemein. Der Unterschied, den Du machen willst, existiert nicht.
Spaetestens dann nicht mehr, wenn die Erschaffung solcher "unentgeltlicher"
Inhalte, etwa freier Software, nicht mehr gesellschaftliche gesponsert wird
(z.B. Studenten, die in der Freizeit ein Programm als GPL schreiben), weil
selbst Access zur Freizeit Geld kosten wird. Dann wird sich dem letzten 
Altruisten die Frage stellen, warum RedHat und SuSE an seiner Lebenszeit
verdient, aber er selbst nicht.

>    Auch im Umgang mit letzterem halte ich es für einen guten Ansatzpunkt,
> technische Methoden zu fördern, die unkontrollierbare Weitergabe von
> Informationen ermöglichen, und technische Methoden zu behindern, die
> Informationen einer KäuferIn / MieterIn zuordnen lassen (personenbezogene
> Wasserzeichen). Ich glaube z. B. nicht, daß ein Audioformat mp3 ablösen kann, das
> Rückschlüsse auf die ursprüngliche KäuferIn einer (legal oder illegal) kopierten
> Audiodatei zuläßt.
> 
> > Was meinst Du, warum die Medienmafia so sehr fuer Kopierschutz
> > von Musikdaten und Videodaten ist:
> 
> Schon klar. Aber das zur Zeit verbreitetste Audioformat (mp3) wird nicht aus der
> Welt zu schaffen sein. Zumindest, solange "wir" an offenen Systemen festhalten.

Optimist. Fuer jedes System brauchst Du eine kritische Masse *) Die Frage ist
nicht, ob es Leute gibt, die MP3-Player fuer Linux schreiben; die Frage ist,
wo die Inhalte herkommen. Es wird an proprietaeren Systemen gearbeitet,
die einen geschlossenen Weg vom Anbieter zum Konsumenten bilden; ein
Beispiel dafuer ist etwa ein Service, mit dem Du in Zukunft Deine
Musik aus dem Netz (Pay-Per-Audio) auf ein UMTS-faehiges Geraet senden
kannst, ohne dass Du einfach zwischendrin (etwa wie bei einer CD) eine Kopie
ziehen kannst. Das wird angeboten werden und wird hinreichend gut gepusht
werden: vgl. den Uebergang von der Schallplatte zur CD.  Du kannst
vielleicht ein Mikrophon dranhalten und so die Schallschwingungen auffangen
und so eine Kopie als mp3 wieder ins Netz spuelen (wasserzeichenfrei),
und diese Umgehung wird sich breitmachen wie Napstella, aber sie wird sich
totlaufen, wenn es einfach unattraktiv wird, seine Musik auf antiquiierten
Scheibenmedien ueber teuere Kaesten im Miditowerformat abzuspielen.

*) Das Wortspiel hier ist, dass fuer ein solches Access-System paradoxerweise
gerade eine *unkritische* Masse erforderlich ist - die Masse der Konsumenten.

Holger

-- 
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