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Re: SWPAT Luegenmaerchen



> > > Die Schose mit den "illegal bestzten Anspruechen" ist ein vom FFII
> > > ausgebruetetes Maerchen, das sich allmaehlich auch in den Medien
> > > breitmacht.
> > 
> > Die Formulierung stammt nicht vom FFII.
> > Die Sache haben wir hier mehrfach diskutiert, und AHH hat die
> > Diskussion verloren. 
> 
> Klar, wenn der FFII der Schiedsrichter waere. 


Mir kam es so vor, als habe sich AHH immer dann aus der Diskussion
zurückgezogen, wenn ich starke Gegenargumente gebracht hatte und gespannt
auf eine Antwort wartete.

Vielleicht war das auch eine Illusion.  Sicherlich gibt es keine klaren
Kriterien für "Sieg" bei einer Diskussion.
  
> > Es sind Ansprüche auf "Computerprogramm, welches ..." erteilt worden.
> 
> In meiner in GRUR 01/2001 oder 02/2001 erscheinenden 
> Aufsatzveroeffentlichung begruende ich meine These, dass diese 
> Ansprueche inhaltlich ohnehin nur so sinnvoll ausgelegt werden 
> koennen: Etwa wie folgt : "Vorrichtung aus Computerprogramm plus 
> zugehoerigem Prozessor, mit folgenden Eigenschaften [...]"
> 
> Eine Patentverletzung durch ein gedanklich vom Prozessor losgeloestes 
> Datenverarbeitungsprogramm als linguistisches Konstrukt ist vom 
> Patentverletzungsrecht her nicht denkbar, egal was im erteilten 
> Patentanspruch steht.  Man muss immer den Prozessor mitdenken, egal 
> wie der Wortlaut des Anspruches lautet, denn andernfalls laesst sich 
> die patentrechtlich allein relevante Programmfunktionalitaet nicht 
> aus dem linguistischen Konstrukt ableiten. Deshalb sollten derartige 
> Ansprueche m.E. wegen Unklarheit als nicht zulaessig angesehen werden.

Das klingt so, als solle nur der im Prozessor ablaufende Vorgang
beansprucht werden und der Programmtext außen vor bleiben, wie etwa
zuletzt vom 17. Senat des BPatG geurteilt:

	http://swpat.ffii.org/vreji/papri/bpatg17w6998de.html

Das hat IBM-Patentanwalt Teufel als "paradox" kritisiert und
Rechtsbeschwerde eingelegt.
 
> > Abgesehen davon ist das nicht nur eine Frage der
> > Anspruchsformulierung. Es gibt ca nx10000 Patente auf Probleme, deren
> > Lösung im Verfassen eines programmiersprachlichen Textstücks besteht. 
> 
> Das sind eben die computer-implementierbaren Erfindungen. Die Loesung 
> liegt - patentrechtlich - im beanspruchten Algorithmus, die 
> verletzungsrelevante Implementation liegt - bei den 
> computerimplementierten Erfindungen - im linguistischen Konstrukt des 
> Codes.  

Also werden doch Programme als solche beansprucht.  Die Unterscheidung
zwischen Anspruch und verletzungsrelevanter Implementation hilft nicht
weiter.  Ein Anspruch definiert einen Bereich verletzungsrelevanter
Gegenstände.

Meist wird im Anspruch noch nicht einmal ein Algorithmus beschrieben
sondern eine Funktionsbeschreibung, die man allenfalls als Oberklasse von
Algorithmen verstehen kann.  Als Beispiel nehme man den Anspruch aus
der oben zitierten BPatG-Entscheidung:

     Verfahren zur computergestützten Suche und/oder Korrektur einer
     fehlerhaften Zeichenkette F_i in einem digital gespeicherten Text,
     der die entsprechende fehlerfreie Zeichenkette S_i enthält,
     
     dadurch gekennzeichnet, dass
     
    a. die Auftretenshäufigkeit H(S_i) der fehlerfreien Zeichenkette S_i
       ermittelt wird
    b. die fehlerfreie Zeichenkette S_i nach einer Regel R_j verändert
       wird, so dass eine mögliche fehlerhafte Zeichenkette f_ij erzeugt
       wird,
    c. die Auftretenshäufigkeit H(_ij) der Zeichenkette f_ij in dem Text
       ermittelt wird,
    d. die Auftretenshäufigkeiten H(_ij) und H(S_i) verglichen werden und
    e. basierend auf dem Vergleich in Schritt (d) entschieden wird, ob
       die mögliche fehlerhafte Zeichenkette f(_ij) die gesuchte
       fehlerhafte Zeichenkette F(_j) ist.

Das Ergebnis ist immer, dass Computerprogramme zu verletzungsrelevanten
Gegenständen werden.  Genau das sollte in den 70er Jahren ausgeschlossen
werden.

> > Eben, eine Klasse von Computerprogrammen.
> > Jeder Patentanspruch bezieht sich auf eine Klasse von Gegenständen.
 
> Nein, nicht eine "Klasse von Computerprogrammen", sondern eine
> _Abstraktion_ ueber einer Klasse von Computerprogrammen. Das ist was
> voellig anderes.

Vielleicht meinen wir das gleiche.  Könntest du das am obigen
IBM/BPatG-Beispiel mal erklären?

> Die Abstraktion haengt mit der heutigen 
> Verwissenschaftlichung des Erfindungsprozesses zusammen, vgl.
> 
>   http://www.jurpc.de/aufsatz/20000223.htm

Ich würde eher sagen: die Abstraktion hängt mit der Anwendung des
Patentwesens auf ihm wesensfremde Bereiche zusammen.  In den 80er Jahren
wurde mit der Zulassung von Funktionsansprüchen obiger Art eine
gefährliche Grenze überschritten.  ABS war tatsächlich der Grenzfall, wie
du in obigem Artikel schreibst.

Für mich wäre dieser Fall korrekterweise folgendermaßen zu beurteilen
gewesen:  

Die neuartige Nutzung der Reibungskräfte ist patentierbar, soweit sie
nicht auf Rechenoperationen mit bekannten Modellen von
Naturkräfte-Kausalitäten beruht.  D.h. der experimentelle Teil, der zu
einem neuen Naturkräfte-Modell geführt hat, begründet die
Patentierbarkeit.  Das Computerprogramm, mit dem das Fahrzeug gesteuert
wird, hat nur den Status einer genauen Dokumentation des Verfahrens.  Es
ist als solches nicht patentierbar, d.h. kann nicht zum patentverletzenden
Gegenstand werden.

> > Die Wortwahl des EPÜ drückt genau das aus, was man in den 70er Jahren
> > wollte und was wir heute wollen.
> 
> Ich weiss nicht, was man in den 70er Jahren wollte. Ich weiss nur, 
> dass damals die EDV ordentlich weggesperrt war in Rechenzentren und 
> Rechnerraeume und dass die Ubiquitaet mikroprozessorbasierter 
> Technik, wie wir sie heute kennen, damals nicht antizipiert wurde.
> (Wenn ich mal Zeit habe, werde ich die Dokumente der Diplomatischen 
> Konferenz anno 1973 mal recherchieren und daraufhin durchlesen.)

Am besten die Serie der Artikel von Gert Kolle in GRUR dazu lesen.  Er war
Berichterstatter der deutschen Delegation bei diversen Konferenzen zu
diesem Thema.

Bereits in den 70er Jahren erkannte man, dass Computerprogramme und
Algorithmen im nicht-technischen Bereich liegen und ihre Patentierung in
einem unübersehbar großem Gebiet der Gesellschaft und Wirtschaft zu
gefährlichen Sperrwirkungen führen würde, in die ungleich viel mehr Leute
verwickelt werden, als in das traditionelle technische Patentwesen
verwickelt sind.  Diese Erkenntnis gilt heute a fortiori.
 
> > Für Firmen wie IBM und andere, die zusammen mit dem EPA und den
> > BGH-Richtern die Regeländerung herbeigeführt haben, ist die Art der
> > Durchsetzung klar: konkurrierende Computerprogramme sollen vom Markt
> > und aus dem Netz verschwinden.  Diese Art der Durchsetzung stellt m.W.
> > niemand in Frage.
> 
> Das wuesste ich gerne mal, wozu IBM als OSS-Supporter diesen Ehrgeiz 
> an den Tag legt... Aber: Nennenswerte Patentprozesse gegen Software 
> als Handelsobjekt hat es m.W. in DE noch nicht gegeben ...

Das sind zwei Paar Schuhe.
Alle warten auf Präzedenzfälle, nicht zuletzt auch angesichts einer
unklaren Rechtslage.
Klar ist jedoch, dass unter den Anmeldern und Patentämtern ein Konsens
darüber herrscht, was im Falle eines Prozesses durchgesetzt werden soll.
Auch gegenüber OSS ist keiner der patentjuristischen Artikelschreiber 
außer AHH bereit, eine Ausnahme zu machen.
Bei aller rechtsdoktrinären Spitzfindigkeit haben nämlich alle Leute eine
Weisheit im Hinterkopf, die ein EPA-Patentprüfer so ausdrückte:  "Patents
are about money."  Wenn sich mit einem Swpat nicht die Verbreitung von
patentverletzenden Implementationen verhindern lässt, wer wollte es dann
überhaupt anmelden?
 
> > Warum auch nicht?
> > Wenn unter "High Tech" all das zu verstehen ist, was auf dem
> > geschickten Rechnen mit bekannten Naturkräfte-Modellen beruht, sollte
> > das Patentwesen vielleicht besser draußen bleiben.  Das ist nämlich
> > Software und Mathematik, so sehr man auch Metaphern wie "High Tech"
> > verwenden möchte.
> > 
> > Es würden zumindest "computer-implementierte" Gegenstände wie z.B.
> > eine neue Art, Magnetkräfte zum Lesen von Datenträgern zu nutzen
> > übrigbleiben.
> 
> Das ist kein Beispiel fuer eine "computer-implementierte" Erfindung. 
> Eine durch einen Mikroprozessor o.a. plus Software realisierte 
> Erfindung, nicht ein Hardware-Bestandteil eines solchen oder seiner 
> Perpherie .  

Immerhin ist es ein Beispiel einer Erfindung (was
Software-Funktionsbeschreibungen m.E. nicht sind).  Computer-implementiert
ist die Erfindung auch, denn zu ihrer Umsetzung braucht man einen
Computer.
 
> > Außerdem wäre es durchaus möglich, Computerprogramme draußen zu halten
> > und etwa in Hardware gegossene Formen der selben Prozesse zu erlauben.
> > Dann hätten wir zwar einen aufgeweichten Technikbegriff, aber der
> > Disclaimer 52.2c würde seine Funktion weiterhin erfüllen.
> 
> Naja, darueber kann man diskutieren, aber das waere eben _kein_ 
> Disclaimer fuer Artikel 52 EPÜ, sondern fuer solche Paragraphen im 
> nationalen Patentrecht, die die _Patentverletzung_ regeln - darueber 
> steht im EPÜ naemlich (fast) nichts substantielles.

> Nochmal: Das Patentrecht umfasst u.a. drei Gruppen von Bestimmungen:
> 
> a) Bestimmungen ueber die Erteilung von Patenten;
> b) Bestimmungen ueber die Wirkung/Durchsetzung von Patenten
>    (Patentverletzung), und
> c) Bestimmungen ueber die Unterrichtung der Oeffentlichkeit
>    (Offenlegung von Patentanmeldungen, Ausgabe von Patentschriften,
>     Patentdatenbanken usw. usf.).
> 
> Ein Disclaimer betreffend die Rolle von Software bei dem 
> Zustandekommen patentverletzender Gegenstaende gehoert zur Gruppe b.

> Die Diskussion ueber Art. 52 gehoert ausschliesslich zu a).

Bei der Erteilung von Patenten wird über den Anspruchsbereich festgelegt,
was die verletzenden Gegenstände sind.   Ein Problem, dessen Lösung im
Schreiben eines Programmes besteht, ist keine Erfindung.  Das sollte
eigentlich schon aus einem soliden Technizitätsbegriff folgen.  Für den
Fall, dass der Technitzitätsbegriff aufgeweicht wurde und daher diese
Schlussfolgerung nicht mehr unterstützt, hat man als Sicherheit den
Disclaimer.
 
Ich bin selbstverständlich für den Technikbegriff, den Kolle und andere in
den 70er Jahren entwickelt haben und halte mit ihm alles andere für
gefährlich weil zu einer uferlosen Ausweitung der Patentierbarkeit
führend:

	http://swpat.ffii.org/vreji/papri/grur-kolle77de.html

Kolles Vorhersagen über die Möglichkeit der Aufweichung sind eingetreten
und vielfach kritisiert worden:

	http://swpat.ffii.org/vreji/papri/lamy98fr.html
	http://swpat.ffii.org/vreji/prina/drtw.pdf
	http://swpat.ffii.org/vreji/prina/patpruef.pdf

Ich kann es wohl verstehen, wenn man heute aus politischem Kalkül heraus
sich nicht an das Hauptproblem, den Technikbegriff, herantraut und hier
lieber weiterhin einen unklaren Kurs fährt.  Aber gerade dann brauchen wir
den Disclaimer, um wenigstens bei den Computerprogrammen ein Stoppschild
aufzustellen.  Hier kann nicht eine Technizitäts-Systematik Vorrang
beanspruchen, die keine mehr ist.

> Ein Disclaimer in Art. 52 EPÜ kann niemals dazu fuehren, dass ein 
> irgendetwas als nicht patentverletzend angesehen wird. Das ist 
> einfach Gesetzessystematik.

Er kann dazu führen, dass

(a) kein Anspruch auf ein Computerprogramm oder Computerprogrammprodukt
    gewährt wird
(b) ich als Programmierer gegenüber einem Verletzungskläger beteuern kann,
    dass ich "nur ein Computerprogramm als solches" programmiert habe.

> > > Die Open-Source-Community im allgemeinen und der FFII im 
> besonderen
> > > spricht aber nicht fuer die Gesamtheit derjenigen Wirtschafszweige,
> > > die "computer-implementierbare" Erfindungen hervorbringen. Wie sich
> > > an den steigenden Anmeldezahlen ablesen laesst, scheint das
> > > derzeitige Patentwesen insbesondere in denjenigen
> > > Wirtschaftsbereichen, in denen programmiert wird, wo aber Software
> > > nicht als eigenstaendiges Handelsgut in Erscheinung tritt, auf
> > > grosse Akzeptanz zu stossen. Beispiel: Mobilfunk-Industrie (GSM,
> > > UTMS etc. pp).
> > 
> > Da bin ich mir nicht sicher.
> > Ich habe mit einigen Leuten aus dem Telekommunikationsbereich,
> > inklusive Projektleitern von Siemens, Dokomo und anderen Großfirmen
> > gesprochen, die Patente in ihrem Bereich vor allem als einen Klotz am
> > Bein wahrnahmen.
> 
> Wenn man die Ingenieure und die SW-Entwickler fragt, kann das im 
> Einzelfall vielleicht sogar stimmen. Da aber nach deutschem 

Ich habe nicht Ingenieure und SW-Entwickler gefragt sondern Leiter von
Großprojekten, die etwa neue Werke errichten und dafür die Finanzplanung
machen.

> Arbeitnehmererfindergesetz Extragratifikationen fuer jede patentierte 
> Arbeitnehmererfindung winken, sind viele Arbeitnehmererfinder 
> ziemlich hinterher, dass das Unternehmen auch tatsaechlich anmeldet. 
> Aber auf diese Unternehmensebene kommt es de facto bei der Definition 
> einer unternehmensweiten Patentstrategie in der Regel nicht an. 
> Entscheidend sind diejenigen Management-Etagen, die die 
> unternehmerische Gesamtverantwortung tragen. 

Genau solche habe ich gefragt.  Allerdings Gesamtverantwortung für einen
Bereich wie z.B. Investition in die Entwicklung eines neuen
Telekommunikationsstandards mit zugehörigen Produkten.

> Und das sind - schon wegen der ziemlichen Kosten des Patentbereiches -
> garantiert keine Marionetten der Patentabteilung. Die machen das nur
> solange sie sich irgendeinen oekonomischen Nutzen davon versprechen.

Die werden nicht gefragt.
Sie stellen sich auch sehr selten die Frage, ob das Patentwesen für sie
nützlich ist.  Denn sie haben gar nicht den Eindruck, dass sie jemals
darauf Einfluss haben könnten, wie es sich entwickelt.
"Dieser Patentkrempel bremst uns ungemein.  Das hat viele
Entwicklungen schon um Jahre zurückgeworfen.  Wenn wir das
wirklich loswerden könnten, wären wir sehr erleichtert." o.ä.
hört sich das oft an.  Dann kommt ein Satz dazu wie "Aber Siemens ist ein
konservatives Unternehmen.  Wenn Sie wirklich wollen, dass wir politische
Einschätzungen äußern, müssen Sie eine wissenschaftliche Studie machen.
Normalerweise interessiert uns nur, wie wir es schaffen, genügend Patente
anzumelden.  Und zur Motivierung der Mitarbeiter ist es wichtig, dass man
in Europa genauso leicht Patente bekommt wie in den USA.  Die denken
nämlich zunächst regional.  Wenn wir dann aber hier strengere Kriterien
haben als in den USA, dann ziehen wir in den USA den Kürzeren."

Letztere Logik ist aber eine Patentinflationslogik, die nichts mit
einem etwaigen politischen Gesamtinteresse der Siemensianer zu tun hat.
Folgt man ihr, so muss Europa unbedingt an der Spitze der Patentinflation
marschieren und am besten jeden Käse patentieren, über den die
Siemens-Leute anderesherum wieder stöhnen.  Denn Siemens ist für diese Art
des Patentwettbewerbs nicht optimiert.  Da sind andere wie Qualcomm
besser, die ihre Produktion abgeschafft haben und nur noch Patente
entwickeln.  Siemens möchte mit Produkten Geld verdienen, und auch im
Telekommunikationsbereich gibt es ohne Patente genug Barrieren gegen eine
zu schnelle Nachahmung durch Konkurrenten.

-phm