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Re: [Debate] FYI: Zensur im Globalen Dorf - das Webund dieMeinungsfreiheit



Peter Ross <Peter.Ross@alumni.tu-berlin.de> writes:

> Ein Mailarchiv ist hier inzwischen mit einer Datensammlung im Rahmen
> einer statistischen Erhebung, mit Vorratsdatenhaltung nach 
> Telekommunikationsgesetzgebung, mit Veroeffentlichung und Sammlung von 
> Zeitungsartikeln verglichen worden.

Von der Vorratsdatenspeicherung nach TKG war nirgends die Rede. Lutz
hatte sie ins Spiel gebracht, ich hatte den Begriff durchgehend so
gemeint und so verwendet, wie er im Datenschutzrecht allgemein üblich
ist und wie ihn das Bundesverfassungsgericht auch gebraucht. Das
Volkszählungsurteil ist hier maßgebend. Also ein viel weiter gefaßter
Begriff der Vorratsdatenspeicherung.  Die Speicherung nach TKG, die Du
nun ansprichst, ist ein spezieller Unterfall davon.

> Das Gleiche sollte auch fuer Juristen gelten. Wenn sie dadurch, dass sie 
> alles ueber einen Kamm scheren, Entwicklungen nicht honorieren und 
> verstehen, ist ihre Rechtssprechung unangemessen und behindert den 
> Fortschritt.

Utilitarismus ginge Dir demnach vor Rechtmäßigkeit? 

Das ist eine Variante (Nr. 1). Ohne Dir diesbezügliche Tendenzen zu
unterstellen (wirklich nicht!), nur als Beispiel, wie gefährlich diese
Denkrichtung ist: Die Figur "Juristen als Bremsklotz/ Bedenkenträger"
geht unter anderem auf Adolf Hitler zurück, der voller Verachtung
nicht nur für den Parlamentarismus, sondern auch für rechtliche
Probleme im allgemeinen war, die ihm vorgetragen wurden. Der wollte
damals schon "durchregieren" (Nr. 2), wie es unsere Frau Kanzlerin im
letzten Bundestagswahlkampf nannte, und er hatte sich dazu das
Ermächtigungsgesetz ausgedacht. Genaugenommen: Was kümmern uns denn
auch das Rechtsstaatsprinzip und die Grundrechte?

Was heißt das für unser Problem? Der Konflikt zwischen technischem
Fortschritt und Recht tritt in vielen Fällen auf: In der
Informationstechnik, in der Physik, in jüngerer Zeit vor allem in der
Biotechnologie und in der Medizin. Im Rechtsstaat gilt das Primat des
Rechts uneingeschränkt (Nr. 3; mein Standpunkt). Aber nur der Profit
(Nr. 4; wessen Profit, übrigens?) war erfahrungsgemäß *immer* ein
Anlaß, das Recht der technischen Entwicklung anzupassen, nicht der
technische Fortschritt allein (so aber wohl Nr. 1).

Etwa so wäre eine kritische Theorie zu dem Thema zu diskutieren. Man
muß sich gut überlegen, in welches der oben skizzierten Lager man sich
stellt. (Aber nur Nr. 3 ist m.E. ein konsequent antifaschistischer
Standpunkt.)

Jürgen.

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