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swpat - versteht das noch wer? ,-)



Eins vorweg: Ich habe nicht die Zeit gehabt, jeden einzelnen der
langen Beiträge auf dieser Liste zu lesen.  Ich möchte aber trotzdem
versuchen, die Argumente wenigstens halbwegs zu verstehen, daher
diese Mail als ganz furchtbar vereinfachende Version der wichtigsten
Argumente - soweit ich sie mitbekommen habe -, nebst einiger
Kritikpunkte.  Bitte korrigiert mich, wenn ich irre.

- Horns & Co: Softwarepatente = Turing-Maschinen-Patente.
  Turing-Maschinen sind praktisch universell und durchdringen auch
  "wirklich technische" (was auch immer das sei) Güter, daher würde
  ein Verbot von Turing-Maschinen-Patenten auf Dauer das gesamte
  Patentwesen aushebeln.  Ein Aufhängen von Patentierbarkeitsgrenzen
  an der Verwendung von Naturkräften scheitert, da Software nur im
  Zusammenhang mit zugrundeliegendem Prozessor denkbar ist, also
  Naturkräfte eingesetzt werden.

- Pilch: Patentierbar soll sein, was raucht und stinkt (oder rauchen
  und stinken läßt), nicht aber, was auf einem üblichen Bürocomputer
  gebraucht wird.

Dagegen wird der sogenannte Ambivalenzbereich angeführt, in dem
nicht klar erkennbar sei, ob man es denn nun rauchen und stinken
läßt, oder ob nur der Bürocomputer vor sich hintuckert.


Ich muß nun zugeben, daß ich an einigen Stellen massive
Verständnisprobleme habe.  Und zwar, insbesondere, bei dem Argument
von dem zugrundeliegenden Prozessor, in dem Naturkräfte eingesetzt
würden.  Ist es nicht so, daß ich einen rein gedanklich ablaufenden
Vorgang ebenfalls als Nutzung von Naturkräften (Neuronen in meinem
Hirn) auffassen kann, das menschliche Hirn also als Prozessor?  Und
könnte ich einen Geschäftsprozeß nicht als neuartige Nutzung der
Naturkräfte beim Einsatz von Bleistiften, Computern, Faxen,
Telephonen und Mitarbeitern auffassen?  (Oder alternativ ein
Algorithmus, der auf dem Prozessor "Unternehmen" läuft?)

Mir drängt sich der Verdacht auf, daß Axel eine Abstraktionsebene zu
weit geht, indem er das Problem auf Turing-Maschinen reduziert.  Aus
dieser Abstraktion folgt dann, daß Turing-Maschinen-Patente als
gegeben hingenommen werden und er sich - sicherlich mit
interessanten Ideen - daran macht,die Auswirkungen einer derart
allgemeinen Patentierbarkeit hinzunehmen.

Allerdings gibt es nun ganz klar Patente, die sich damit
beschäftigen, daß eine Turing-Maschine andere Maschinen auf eine
bestimmte Art und Weise ansteuern soll (mal ganz grob).  Offenbar
hat kaum jemand hier Probleme mit dieser Sorte Patente.  Die Frage,
die Hartmut nicht wirklich beantworten kann, ist, wie man diese
Patente abgrenzen kann.  

Auf welchen _speziellen_ Prozessoren muß ein Algorithmus
bestimmungsgemäß ablaufen, um patentierbar zu sein? Und auf welchen
_speziellen_ Prozessoren darf er nicht bestimmungsgemäß ablaufen,
wenn er noch patentierbar sein soll?  Offensichtlich gehört der
spezielle Prozessor "Unternehmen" in die letztere Kategorie, ebenso
wie der spezielle Prozessor "menschliches Hirn".

Die Aufgabe, die sich stellt, wäre demnach, zu versuchen, die
Prozessoren, auf denen Algorithmen bestimmungsgemäß ablaufen können,
klar zu klassifizieren und anhand dieser Klassifizierung nach
Patentierbarkeit dieser Algorithmen zu fragen.

Ein möglicher Ansatz für diese Klassifizierung wäre ein - wie ich es
einmal nennen möchte - Emeritenmodell: Wir stellen uns einen
mittelalterlichen Emeriten vor, der mit Schreibzeug in seiner Höhle
lebt und sich dorthin, sagen wir, vor zehn Jahren zurückgezogen hat.
Er wird die Umgebung seiner Höhle vor seinem Tode nicht mehr
verlassen und auch keine anderen Menschen antreffen.

Frage: Ist das Verfahren auf dem "Emeriten-Prozessor"
bestimmungsgemäß lauffähig?  (Sortierverfahren: ja.  Verfahren zur
Ausrichtung von geschriebenem Text: Ja.  Computergesteuertes ABS:
nein.)

Etwas exakter forumliert geht es um die Frage nach zeitlich lokaler
Abgeschlossenheit des Systems, auf dem der Algorithmus abläuft.
Nehmen wir an, daß der Prozessor für eine beliebige Zeit vor und
nach Ablauf des Algorithmus von der Außenwelt abgeschlossen sei.
Kann das Verfahren dann bestimmungsgemäß ablaufen?

Natürlich ist diese Klassifizierung nicht perfekt, weil
Geschäftsmodelle etwa in die falsche Kategorie fallen würden.
Gleichzeitig ergeben sich interessante Perspektiven: Die Nutzung
eines speziellen Sortieralgorithmus zur Klassifizierung von Aufgaben
in einem Steuerungsrechner wäre patentierbar.  Die Nutzung dieses
Algorithmus im allgemeinen wäre es nicht.

-- 
Thomas Roessler                         <roessler@does-not-exist.org>