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Re: Programmiererethik, geistiges Eigentum und Swpat



On Tue, Jul 23, 2002 at 07:56:30PM +0200, Axel H Horns wrote:

Hallo Axel,

[...]

> Also sprechen wir auch _nicht_ von Patentanspruechen wie 
> 
> "Musikstueck, gekennzeichnet durch folgende Folge von Noten:
> 
> (Note), (Note), ..., (Note)"

Das würde niemand haben wollen. Es wären Strukturen, die man
patentieren wollte, genau wie bei Computerprogramme:

Lied, aus Melodiestücken A, B, C aus jeweils 4 Takten, die in
nach folgenden Mustern angeordnet sind.

Ich kenne mich mit Musik nicht aus, aber Leute, die das tun,
können sicher allgemeine nichttrivale Kompositionstechniken
angegen, die man hier patentieren lassen könnte.

> 
> Wir sprechen demgegenueber hier von CII-Anspruechen wie:
> 
> "Vorrichtung zum Steuern einer Rolltreppe, umfassend
> 
> a) eine Steuerungseinheit,
> 
> [...]
> 
> f) wobei die Steuerungseinheit eine CPU aufweist,
> 
> g) wobei die Steuerungseinheit folgendes macht: (es folgt eine 
> funktionale Angabe von weiteren Merkmalen)"
 
JPEG wäre aber eher in der Art von:

a) die Steuereinheit macht folgendes:
...

Sprich der ganze Kram, der Bezug auf irgendwelche technischen
Elemente außerhalb der Steuerungseinheit Bezug nimmt, würde
fehlen.

Oder würdest Du sagen, daß im Falle eines JPEG oder RSA-Patents
keine computer-implementierbare Erfindung vorliegt? Dann hätte
ich Deine Postings hier mißverstanden.

> Ein Analogon waere _versuchsweise_
> 
> "Musikerzeugungsvorrichtung, umfassend
> 
> a) einen Resonanzkoerper,
> 
> b) mindestens 8 Saiten folgender Tonlagen ..."

Das führt in die Irre. Patente auf CII fangen ja auch nicht an mit:

a) Prozessor

b) mindestens 8 Register

c) ...

sondern beziehen sich allgemein auf beliebige Rechenmaschinen.

> Hmmm. Und nun weiss ich nicht weiter: Wie soll ich die Noten eines 
> bestimmten Musikstueckes in diesen Anspruch aufnehmen, wenn die 
> "Hardware" z.B. eine Violine ist? Es geht einfach nicht. Die Noten 
> werden vom Menschen verarbeitet, die Violine ist kein "Prozessor".

Doch, das wesentliche was die Violine macht, ist Informations-
verarbeitung. Nämlich die eingegebene Notenfolge in den
charakterischen Klang einer Violine umzurechnen. Schallerzeugung
kommt dann noch dazu. (Also Prozessor mit integrierten
Lautsprecher und fester Firmware).

Und den Menschen kann man eliminieren, wie Dein eigenes nächstes
Beispiel zeigt.

> Was natuerlich geht, ist ein Anspruch auf eine Erfindung, die sich 
> manifestiert als Vorrichtung zur automatischen Erzeugung harmonischer 
> Toene, bei dem eine Tonwalze eingebaut ist.
> 
> Aber damit patentiert man noch kein "Musikstueck".
>
> Der v. Neumannsche Universalrechner als endliche Verkoerperung der 
> (abstrakten) Turing-Maschine ist schon was Besonderes. Scheinbare 
> Analogien aus der Alltagswelt (z.B. Musikinstrumente) verfangen da 
> nicht.

Doch: Nimm doch einfach einen Digital-Analog-Konverter mit Lautsprecher!
Das ist ein Musikinstrument, das alles abspielen kann. Die Turing-Machine
der Schallerzeugung sozusagen.

> Interessanter wird die Angelegenheit, wenn ich einen 
> computergesteuerten Synthesizer betrachte und versuche, den CII-
> Anspruch so "aufzubohren", dass er ein Musikstueck umfasst:  
> 
> "Musikerzeugungssystem, umfassend 
> 
> a) eine Synthesizer-Einrichtung, 
> 
> b) eine Steuerungseinrichtung,
> 
> [...]
> 
> f) wobei die Steuerungseinrichtung die Synthesizer-Einrichtung so 
> steuert, dass folgende Töne nacheinander ausgegeben werden:
> 
> (Ton1), (Ton2), ..., (Ton n)."
> 
> Nehmen wir mal an, "(Ton1), (Ton2), ..., (Ton n)" waere im konkreten 
> Beispiel die Noten des Requiems von Mozart.
> 
> Also, wenn die Synthesizer-Einrichtung neu und erfinderisch ist, 
> schoesse sich der Anmelder mit einem derartigen Anspruch nur ins 
> eigene Bein, weil der Anspruch viel zu eng waere - er koennte besser 
> gleich den neuen Synthesizer beanspruchen.
>
> Und, was ist, wenn der Synthesitzer + Steuerung + uebrige Hardware 
> alles uralt bekannt ist?

Genau. Computerhardware ist ja auch ein alter Hut.
Das JPEG-Patent patentiert ja auch allgemeine Algorithmen (Notenschemata)
und interessiert sich kein Stück für den Synthesizer (die Computerhardware).

> Wenn ich Patentpruefer waere, wuerde ich die Anmeldung wegen 
> fehlender Erfindungshoehe zurueckweisen. Denn der Fachmann weiss 
> natuerlich, dass ein Synthesizer ein elektronisches Musikinstrument 
> ist, welches dafuer gemacht ist, innerhalb eines bestimmten 
> Harmoniesystems _alle denkbaren_ Musikstuecke aufzufuehren. Jedes 
> beliebige Musikstueck innerhalb dieses Harmoniesystems ist 
> trivialerweise darauf spielbar, und deshalb ist es auch naheliegend, 
> das Mozart-Requiem von einer solchen Vorrichtung vorspielen zu 
> lassen. Deshalb fehlt es an der Erfindungshoehe bzw. an dem 
> "erfinderischen Schritt".

Wieso die Erfindungshöhe liegt doch im Mozart-Requiem? Genau wie bei der
Rolltreppensteuerung im Steuerungscode. Eine Maschine, die ein  tolles
Musikstück spielt, ist nicht einfach zu konstruieren, wenn die
Komposition des Stückes (die Algorithmen für die Steuerungslogik) teil
des Konstruktionsprozesses ist.

Gruß,
Martin



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