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Re: [FYI] Thomas Holtrop: "Geburtsfehler des Internet, dass geistiges Eigentum nichts kostet".





Thomas Roessler schrieb:

> On 2002-11-12 15:48:30 +0100, Thomas Riedel wrote:
>
> >Dieser Beitrag verdient Applaus. Er ist so gut, daß er auch die
> >Datenschutz-"Denke" (ein fürchterliches Wort) beeinflussen sollte.
>
> [...]
>
> >Die Datenschützer in Deutschland können gar nicht so viel wissen,
> >wie erforderlich wäre, um diese Prozesse zu steuern. Niemand kann
> >das. Das Argument gegen die Telekom ist valide, kommt aber als
> >Bumerang zurück.
>
> Falls Du Dich auf irgendwelche Diskussionen der letzten zwei Wochen
> beziehst, dann verfehlt der Bumerang leider völlig sein Ziel
> (abwesend, Mail ungelesen archiviert).
>
> Zum Rest dieser Mail: Achtung, wirre Gedankenfetzen.
>
> Wie auch immer: Wenn ich Dich richtig verstehe,

"Ich bin ein Geländer - fasse, wer mich fassen kann. (Deine) Krücke bin
ich nicht."


> dann versuchst Du zu
> argumentieren, daß "Datenschutz"-Entscheidungen letztlich dem
> Teilnehmer selbst überlassen werden sollen: Personenbezogene Daten
> werden damit letztlich zum Wirtschaftsgut,

Nein, nein, nein. Kein Wirtschaftsgut. Geld. Ein Wirtschaftsgut ist
abgrenzbar von anderen Erscheinungsformen der Wirtschaft. Geld ist nicht
abgrenzbar, sondern es liegt der gesamten Wirtschaftsordnung zugrunde
und beinhaltet alle ihre Informationen. Was für ein Wirtschaftsgut
sollten denn personenbezogene Daten sein? Ein Wirtschaftsgut (wohl eher
eine commodity, wie ein Sack Mehl der Güteklasse 2) ist vollständig
definiert durch den Markt dafür. Dieser Markt wird vom Datenschutzrecht
bei einer solchen Interpretation einfach großzügig vorausgesetzt, aber
also immerhin impliziert. Meine Interpretation als Geld ist dazu genau
umgekehrt: ich behaupte nicht, einen bestimmten Markt, erst recht nicht
seine Gesetze zu kennen (wie Du, wohl eher naiv-unbewußt), sondern ich
frage nach den bekannten Vorgaben aller denkbaren Märkte, in denen
personenbezogene Daten eine Rolle spielen können. Ich frage nach den
allgemeinen Vorgaben und behaupte nicht bestimmte Ergebnisse von
Prozessen zu kennen, die sich noch gar nicht materialisiert haben.

> mit dem man durchaus
> bezahlen können soll.  Wenn Yahoo mir Nachrichten gegen mein
> Nutzerprofil anbietet, dann ist das fein.  Wenn ich denen meine
> Daten nicht geben möchte, kann ich ja die Nachrichten auch anderswo
> für Geld einkaufen.

Daher: ich habe keinen Anlaß, etwas für Geld zu kaufen, was selbst - der
Informationsgesellschaft angemesseneres - Geld ist.

>
> Das Argument klingt gut - unter der Bedingung, daß die nötige
> Transparenz für das Datensubjekt vorhanden ist, i.e., daß ich
> tatsächlich weiß, daß ich mit meinem Nutzerprofil "bezahle".  (Daß
> das TDDSG sowas nicht zuläßt (oder ist das mittlerweile geändert?),
> ist dann schon wieder eine andere Diskussion.) Aufgabe des Staates
> wäre in diesem Zusammenhang nur noch, die Ehrlichkeit der
> Datennutzer sicherzustellen - Stichwort Unlauterer Wettbewerb.

Welche Aussagekraft enthält das Wort "Datennutzer"? Ich habe einen
Filofax. Dort stehen auch Notizen über Leute, die ich nicht, erst recht
nicht ausschließlich, privat zu nutzen (die Notizen) beabsichtige,
sondern beruflich. Geht das irgendjemanden etwas an, daß ich die
Zustimmung dieser Leute nicht eingeholt habe?

>
>
> Damit dieser Ansatz sinnvoll funktionieren kann, muß die Weitergabe
> personenbezogener Daten allerdings weiterhin der Kontrolle des
> Datensubjekts

Welche Aussagekraft enthält das Wort "Datensubjekt"? S.o.


> unterliegen - genauer: Dem Vertrag zwischen
> Datensubjekt und Datennutzer.  Rechtliche Regeln, die eine freie
> Weitergabe "erzwingen" wären schädlich, da sie zu einer zwangsweisen
> Entwertung der "Währung"

Ich glaube, hier liegt das Verständnisproblem. Du solltest versuchen,
mich wörtlich zu nehmen. Wenn ich "Geld" sage, meine ich das iSv
"Währung" und nicht iSv "Wirtschaftsgut". Eine Währung ist ein
Wirtschaftsgut ausschließlich in einer Tauschwirtschaft. Das scheint in
der Tat folgerichtig Deine Auffassung zu sein. Eine Art
datenschutzrechtlicher Urzustand der Harmonie.


> "personenbezogene Daten" führen würden.
> Rechtliche Regeln, die eine freie Weitergabe verbieten, hätten den
> gegenteiligen Effekt: Sie würden den Preis der Daten erhöhen, aber
> ihren Wert für den Datennutzer mindern.

Das ist eine Milchmädchenrechnung. Die Datennutzung ist umso wertvoller
für den Nutzer, je exklusiver sie ist. Dein Datenschutzrecht sorgt sich
ausschließlich um die Kostenseite der Datenverwendung, nicht um die
Ertragsseite. Sonst würdest Du nicht so fehlerhaft argumentieren.
Kundendatenbanken sind ein Wettbewerbsvorteil in dem Maße, in dem
Wettbewerber keine Möglichkeit haben, zu bestehenden Zugang zu bekommen
oder eigene aufzubauen. Das ist natürlich auch eine Preisfrage, insbes.
im Bereich der KMUs. Volkswirtschaftlich aber hast Du recht. Nur führt
das zur Verpflichtung des Staates, den Preis der Daten NICHT zu erhöhen
durch Betondatenschutzgesetze.

>
>
> Ohne solche Regeln wäre es theoretisch im Interesse des
> Datennutzers, die freie Weitergabe einzuschränken, um das Angebot an
> seinen personenbezogenen Daten möglichst zu monopolisieren.
> Andererseits würde dies den Wert der Daten für den Nutzer mindern,
> der sie selbst nicht mehr sinnvoll als "Währung"

S.o. (Du solltest versuchen, mich wörtlich zu nehmen. Wenn ich "Geld"
sage, meine ich das iSv "Währung" und nicht iSv "Wirtschaftsgut")

> gegenüber Dritten
> einsetzen kann.  Das Resultat wäre dann ein sinnvoller "Marktpreis"
> mit angepaßten Weitergabebedingungen.
>
> Soweit der abstrakte Gedankengang.  Der krankt aber an verschiedenen
> Stellen:
>
> 1. Das Datensubjekt muß in der Lage sein, "kostengünstig" zu
> verstehen, welchen Vertrag es abschließt. Bei seitenlangen
> unverständlichen privacy policies ist das nicht der Fall.
>
> 2. Das Datensubjekt muß in der Lage sein, seine personenbezogenen
> Daten als Wirtschaftsgut zu begreifen, und ihren Preis
> einzuschätzen.  Ist es aber nicht.--

Nach allem geht es nicht um den konkreten Preis, sondern um den
Preismechanismus. Du schlägst der Sache nach eine Tauschwirtschaft vor,
wie sie zwei Parteien betreiben, aber nicht ein vernetztes
Wirtschaftssystem, das auf Geld basiert.

Ich habe menschlich viel Sympathie für ein derart romantisch
idealisiertes Datenschutzwunschbild. Leider ist die Welt eine andere,
als wir sie uns wünschen.

Grüsse,

Thomas Riedel




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