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Re: Zensur Hui Recht Pfui?
At 07:16 11.06.1998 +0200, Kristian Koehntopp wrote:
>In schulung.lists.fitug-debate you write:
Naja, ob das hier Schulung ist, sei mal dahingestellt ;-)
>>Folgender News-Artikel erscheint mir naeherer Diskussion wert.
>
>Noe.
ebenfalls, auch was die Argumentation angeht.
[...]
>der Rezipient ist nicht mehr selbstbestimmt. Das ist das
>klassische Szenario von Zensur (wenn man nicht die veraltete
>Definition von Zensur wieder hervorkramt, die verlangt, dass die
>Fremdbestimmung durch ein Staatswesen erfolgt).
Kristian, ich habe mühsam lernen müssen, dass es nicht das
klassische Szenario von Zensur ist: Klassische Zensur setzt
beim Autor an, nicht beim Rezipienten. Wir haben hier nur
in Teilbereichen ein unterdrücken einer ansonst erhältlichen
Nachricht. Es gibt kein Recht auf einen bestimmten
Nachrichtenkanal. Er kann seine Nachricht notfalls auf dem
Marktplatz schreien, aber er hat kein Recht auf Erwähnung in
den Tagesthemen. Gleichzeitig ist eine Universität nicht
verpflichtet, die Studenten mit ausreichend Prono zu
versorgen. Nur: wenn alle die Gruppe zumachen, haben wir
ein Problem, denn dann ist es wie mit den Junkies: Wenn man
sie in einem Eckchen machen lässt, hat man alles unter
Kontrolle. Wenn man das Eckchen zu macht, dann verteilen
sie sich wieder in alle Windrichtungen. Dies gilt ausdrücklich
nicht für KiPo, wo es eine allgemeine und für jeden geltende
Pflicht zur Unterdrückung gibt, wo immer einem dieser Dreck
begegnet.
Nun zum zweiten Aspekt des Threads:
Wir sollten uns bei FITUG wirklich mit Jugendschutz beschäftigen.
Wir sollten einen Psychologen konsultieren, welche Auswirkungen
Prono auf einen unreifen Jugendlichen hat. Kennt jemand einen guten?
Nach meinen Feststellungen ist die Lage zur Zeit folgende:
Es gibt Inhalte, die Erwachsenen ohne weiteres zugänglich gemacht
werden dürfen, aber Jugendlichen nicht. Wir hatten 1995 schon einmal
über dieses Problem diskutiert. Damals sagte ich, dass es schwierig
wird, die Informationswelten zu trennen, wie das heute schon in der
Videothek oder im Sex-Shop gemacht wird. Wie wird die elektronische
Gesichtskontrolle aussehen? Wir machen es uns zu einfach, wenn
wir Zensur schreien, wenn es um Jugendschutz geht. (Die anderen
machen es sich noch einfacher) Es geht darum ein Kriterium zu
prüfen, ohne dabei datenschutzrelevante personenbezogene Daten
zu schaffen. Ich hatte dabei immer die Idee, dass es mit der digitalen
Signatur und der Zertifizierungsinstanz gehen könnte, die dem
Teledienst nur sagt: 18 ja oder nein, und intern die Logs löscht.
Zum guten Schluss möchte ich anmerken, dass ich Holgers Bedenken
in der JurPC http://www.jura.uni-sb.de/jurpc/ in meinem Aufsatz
zum Strafrecht schon veröffentlicht habe. Holgers Bedenken sind
die schwerwiegendsten in all dem.
Wir sollten dazu ein Statement auf unserem WWW-Server mit
Datum und digitaler Signatur veröffentlichen, damit niemand sagen
kann, er hätte von der letztgenannten Dynamik nichts gewusst.
Wäre übrigens ein guter Aufhänger für die Netzwelt des Spiegel.
Gruss
Rigo
>
>>Wer 'A' sagt, der muss auch 'B' sagen. Jetzt muss man es nur noch
>>lernen, sich mit den Konsequenzen der Filterwut abzufinden.
>
>Und das ist genau der Fehlschluss in Merkens Argumentation.
>Seine Schlussrichtung ist "Du kannst und willst doch sowieso
>nicht alles lesen, daher kann ich (oder jemand anders) Dir auch
>aufzwingen, welche Artikel Du nicht bekommst." Das ist ein
>falscher Schluss, die Argumentation ist ungueltig.
>
>Was die "Massregelungen" wegen zu langer Signature, anonymen
>Absendern oder anderen Formfehlern angeht: Solche Massregelungen
>sind Ermahnungen, Hinweise und andere Hilfen. Loeschen oder
>Nichttransport von Artikeln sind dagegen die Exkommunikation,
>die digitale Todesstrafe. Diese Form der Strafe wird im Netz im
>allgemeinen nicht angewendet. Nicht nur, weil sie nicht wirksam
>durchsetzbar ist, sondern auch, weil sie langfristig den
>Selbstmord des Netzes bzw. der Community darstellt, in dem/der
>sie angewendet wird.
>
>Merkens setzt verbale Zurechtweisungen und Drohungen mit dem
>boesen Filter mit dem tatsaechlichen Ausschluss aus dem Netz
>gleich. Das sind jedoch zwei vollkommen verschiedene Dinge, auch
>wenn man ihm nicht vermitteln kann und will, dass dies
>tatsaechlich so ist, weil er zu der Sorte Leuten gehoert, die
>dies dann dauerhaft missbrauchen werden, wenn sie diesen
>Unterschied erst einmal begriffen haben. Dass dieser Unterschied
>tatsaechlich existiert, haben meine Kollegen und ich vom Hohen
>Rathe mehr als einmal in den einschlaegigen Gruppen
>demonstriert.
>
>Kristian
>
>