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Re: Datenschutz; (Big Brother blickt auf Bielefeld)





Alvar Freude schrieb:

> -- Thomas Riedel <uzsswo@uni-bonn.de> wrote:
>
> > Daß das WORT
> > Datenschutz zudem eine Art Ersatzreligion ist für Leute, die sonst an
> > gar nichts glauben, lasse ich beiseite.
>
> hmmm ...
>
> > Beschränkem wir uns hier auf mein Zitat von Herrn Kuner aus der DuD. Er
> > sagt: in Schweden zensieren die Datenschutzbehörden im wahrsten Sinne
> > des Art. 5 GG (Zensurverbot). Das Schwedische Verfassungsgericht (bzw.
> > OGH) sah das ebenso. Und da soll ich noch weiter meine Bedenken gegen
> > das herrschende DatenschutzKONZEPT substantiieren?
>
> Auch beim Datenschutz müssen verschiedene Interessen gegeneinander
> abgewogen werden.
>
> Nur wo ist Deine Konkrete Kritik?

Ich möchte es zunächst so erläutern: diese Zeit ist sehr komplex. Wir alle
sind von ihr leicht für einen Moment überfordert. Aber die Komplexität, wo
erforderlich, nicht zu leugnen, sondern sich eine mögliche Reduktion auf eine
Einfachheit (nicht: Versimplifizierung) zu überlegen, ist die wichtigste
Herausforderung für die Gesellschaft und für jeden einzelnen.
Der Datenschutz, wie er jetzt einfachgesetzlich gilt - aber
verfassungsrechtlich schon lange kritisiert wird - ist eine so groteske
Versimplifizierung der betroffenen Interessen, daß ich sehe, daß die meisten
Leute keine Ahnung haben, was sie mit "Datenschutz" eigentlich meinen. Dh:
welche rechtlichen und faktischen Prämissen hat er als Konzept und welche
rechtlichen und faktischen Implikationen.

Das gilt übrigens auch für viele Datenschutzjuristen. Für diese IST
Datenschutz Zweckbindung. Wer das anderes sieht, ist entweder von vorgestern
(dh vor dem Erlaß der EU-Datenschutzrichtlinie) oder "perfide" (ein gewisser
Herr Traeger in einem juristischen Beitrag). Die Gleichsetzung, und zwar
nicht nur die lose Koppelung, des Datenschutzkonzepts mit der Zweckbindung
ist alles, was ich - für den Privatsektor - als völlig unhaltbar ablehne. Ich
habe nichts dagegen, daß jemand gern anonym surft etc.
Aber der Grundsatz der strikten Zweckbindung setzt nun notwendig voraus, daß
ein einzelner den Zweck einer Kommunikation a priori festlegt. Das kann und
soll also keine Interessenabwägung sein. Nicht ich bin also gegen
Interessenabwägungen, im Gegenteil, sondern das Datenschutzrecht selbst ist
dagegen, und zwar unter allen Umständen. Sehr deutlich Spiros Simitis. Der
Grundsatz der Zweckbindung als allgemeines Prinzip hat als Kehrseite die
grundsätzliche Rechtswidrigkeit jeglicher Kommunikation (das ist der Effekt
im WWW), es sei denn, Datenschutzbehörden oder Spezialvorschriften erlauben
sie. Das ist Vorzensur und als solche verfassungswidrig und absurd.

>
>
> Erzähle doch mal je ein, zwei Beispiele, in denen Du Datenschutz für
> richtig und für falsch hälst.
> An konkreten Beispielen lässt sich sowas ja durchaus sinnvoller bereden.

Bis zur Implementation der EU-Datenschutzrichtlinie galt das Prinzip der
Interessenabwägung zwischen Datenschutz- und Kommunikationsinteressen im
Privatsektor. Jetzt ist alles genehmigungspflichtig und gesetzlicher Regelung
vorbehalten und ausnahmslos strikt zweckgebunden. Das halte ich im Grundsatz
für falsch. Es mag in bestimmten Bereichen der Gesellschaft gut sein, zB im
Finanzbereich, aber sogar dort gibt es die Anerkennung einer bestimmten
Logik, die Daten für Jahre zu speichern erlaubt, die im Zusammenhang mit
EC-Kartenzahlungen anfallen. Dh nicht einmal dort, wo es um wirklich sensible
Lebensbereiche (Geld und in zurückliegenden Verbrauchergeschäften
manifestierte Konsumpräferenzen) geht, wird ignoriert, daß in einem
finanziellen und wirtschaftlichen Netzwerk (denn was sind Geld und Wirtschaft
anderes als Netzwerke?) es keine absolute Anonymität geben kann und daß man
die Informationen verläßlich, zeitnah und zentral abrufbar halten muß. Und
für alle andere Lebensbereiche im WWW soll das nicht gelten? Ist nicht das
WWW auch ein - kommunikatives - Netzwerk?
Natürlich muß das Recht hier Interessen abwägen und mit eigenen
Wertentscheidungen steuern. Aber dann muß es auch die Fakten erheben und darf
nicht methodisch autistisch mit "sozialen Systemen" scheinargumentieren und
das Bestehende und die ihm zugrundeliegende Kommunikation in Beton gießen.
Das könnte dann auch ein legitimes Datenschutzrecht leisten. Aber im Moment
sollte es richtigerweise "Zweckbindungsrecht" heißen. Wenn man das so sieht
und sagt:"Zweckbindung ist Menschenrecht", merkt man wahrscheinlich die
Absurdität dieser Behauptung.






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