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Re: Boese, boese!



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Hallo


On Tuesday 05 November 2002 02:57, Joerg-Olaf Schaefers wrote:
> Hallo Liste,
>
> Monday, November 4, 2002, 9:57:20 PM, Patrick wrote:
> >>>>>> Joerg-Olaf Schaefers writes:
> >>
> >> Der Award wird zum singulaeren Me- dienereignis, das Thema
> >> ist bis zur naechsten Show abge- fruehstueckt.
> >
> > Diese etwas pessimistische Ansicht teile ich nicht.
>
> Ich moechte sie auch nicht predigen. Frage ist aber, wie weit die
> von uns "Netzaktivisten" proklamierten Probleme auch vom "normalen
> Volk" wahrgenommen werden. Ich sehe da durchaus eine beachtliche
> "digitale Kluft".

Ich glaube (pardon, wenn ich mich mal so einfach einmische), dass die 
"digitale Kluft" nichts anderes ist als das, was es schon seit Jahren gibt:
der Unterschied zwischen (politisch) interessierten Menschen und jenen, die 
eben uninteressiert sind.

Durch das Internet (ich kann jetzt nur von mir sprechen) fällt manchem dies 
deutlicher auf, letztendlich ist es aber nichts anderes als die Situation 
derjenigen, die einst zu den Demos liefen während die anderen vor dem 
Fernseher saßen.

> > Handelt es sich nicht eher um ein Charakteristikum
> > von Massenmedien?
>
> Sicher. Die Verteufelung neuer Massenmedien hat bekanntlich eine
> lange Tradition. Und dennoch haben wir es mit den klassischen Pro-
> blemen eines neuen Massenmediums zu tun. Es ist neu, es ist unge-
> wohnt, ueberwaeltigend und vor allem nicht kontrollierbar.

Und damit sind imhho viele Menschen überfordert - "früher" um es so plump 
auszudrücken, las man die Zeitungen und bekam "die Meinung" sozusagen 
vorgesetzt - jetzt aber erhält man eine Flut von Informationen, niemand sagt
- - das ist gut
- - das ist böse
- - das ist richtig
- - das ist falsch

Ich denke, es ist verständlich, dass sich viele inmitten dieser Flut von 
Informationen, die auf einen hereinprasseln, nach "Führung" sehnt.
Wie soll man unterscheiden, wie soll man beurteilen?
Es ist leichter weiterhin z.B. nur "seine Quelle" zu befragen und die "anderen 
Quellen" in die Ecke zu schieben.

> Sagen
> zumindest die Leute. Und dennoch muss man drin sein, sagen die
> Leute.

Ja, so wie "man" lesen muss. Und wie man einen Fernseher haben muss.
Aber nicht um sich kritische Sendungen anzuschauen sondern vielmehr um die 
nächste Folge von Marienhof diskutieren zu können.

> Drin sein nach AOL-Diktion bedeutet "Mail lesen", "surfen"
> und "Telegramme empfangen" (Die sind naemlich schneller als Mail,
> sagt AOL). Weiterdenken, wo man selbst mit dem "drin-sein" schon
> ueberfordert ist? Warum kuemmert sich niemand um den "Schund und
> Schmutz"? Informationsfreiheit fuer Nazis? Ja, aber ...

Wobei auch viele imho schlichtweg Angst haben, sie könnten vielleicht einen 
kleinen Moment lang an den "Pfui"-Meinungen interessiert sein.
Es gab schon immer die Ängste vor den eigenen Faszinationen - natürlich 
schimpft man also lieber gegen bestimmte Seiten als sich damit auseinander zu 
setzen, dass man - obgleich nun wirklich nicht gewaltgeil - plötzlich 
bestimmte Seiten bei rotten faszinierend findet.

> > Schließlich wird auch ohne WM Fußball gespielt.
>
> Fussball ist dem Volk wahrlich naeher als Datenschutz/Ueberwachung,
> das war ja auch einer meiner Punkte. Waehrend die WM nicht zuletzt
> so populaer ist, weil Millionen selber gegen mit Leder ueberzogene
> aufgepumpte Schweinslederblasen treten oder treten lassen [1], ha-
> ben sie eben kaum einen Bezug zu Themen wie Datenschutz und Ueber-
> wachung.

Davon abgesehen gibt Fußball ein patriotisches Gemeinschaftsgefuehl und lenkt 
von der eigenen Unwichtigkeit ab - man ist ein Teil einer "Gruppe", man hat 
Teil daran...an dem Geschehen.

Ich sehe das Problem beim Datenschutz und bei der Privatsphäre sowie an all 
dem, was damit zu tun hat, eher in der eigenen Angst bzw. dem Bewusstsein der 
Unwichtigkeit.

Da man nichts Boeses tut, ist man "unwichtig", ergo nicht der Ueberwachung und 
dergleichen "wuerdig".
Warum soll man mich ueberwachen? Warum sollen meine Daten wichtig sein?
Wer soll die schon sammeln?

Die Talkshows etc. zeigen ja, wie schnell Menschen heutzutage bereit sind, 
ihre intimsten Dinge auszuplaudern, Tränen, Wut, Angst zu zeigen.
Und nicht weil sie dafür Geld bekommen sondern weil sie einen kurzen Moment 
lang dann "ihren Ruhm" bekommen - Abwechslung von der Bedeutungslosigkeit, 
die wir jeden Tag erleben weil es z.B. nicht mehr den Tante-Emma-Laden gibt, 
in dem man uns kennt sondern nur noch den Super-Super-Hyper-Markt, in dem man 
bald wahrscheinlich wie im Arbeitsamt kleine Marken zieht und als "Nummer 316 
am Donnerstag, bitte zur Kasse 5" aufgerufen wird.

Privatsphäre und Intimität ist heute "spießig" und "altmodisch", ein Relikt.
Während einerseits die natürlichen Dinge wie Nacktheit (zieh Dich an, wenn 
Dich einer sieht, was sollen die Leute denken?) immer mehr als "pfui" 
angesehen werden, gilt es als "hip" jedem zu erzählen, dass man mit Person xy 
zum 10ten Mal das Bett geteilt hat und in welcher Stellung etc.

Nicht zuletzt dadurch, dass viele arbeitslos sind und oftmals auch erkennen 
muessen, wie stark die "soziale Spaltung" schon fortgeschritten ist, wenn 
manche von "Sozialabfall" reden, steigt das Denken an die eigene 
Bedeutungslosigkeit.

Und dazu kommt dann noch die Angst vor den Konsequenzen - wer beginnt, sich 
einmal mit Privatsphäre, Datenschutz etc. zu beschäftigen, der merkt schnell, 
wie er in manche Dinge förmlich "hineingesogen" wird.
Da verschließt man lieber die Augen, auch weil man nicht gerne als Spinner, 
als Paranoiker angesehen werden möchte.


Um es mit den Worten von Peter Parker zu sagen:
"Auf große Kraft folgt große Verantwortung"
Auch Wissen bedeutet Kraft...aber wer will heutzutage schon Verantwortung 
übernehmen? Und sei es nur für sich selbst.

Pardon für den kleinen Einschub.

Twister
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