[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: Totgesagte leben länger: Perkeo.




Rigo Wenning schrieb:

> Du weisst genauso wie ich (oder nicht?), dass die alle Hilfsbeamte
> der StA sind, also die Unterscheidung nicht zieht.
Muß ich nochmal grübeln....
 Zu den besonderen
> Dingen zaehlt die Surf-Streife nicht, also scheitert es nicht daran,
> dass ausdruecklich die StA verlangt ist, sondern allenfalls an

> Deiner Theorie, dass die Grundlage fuer Durchsicht der Zeitungen
> (170ff, 90ff StPO, ich habe hier unten noch keine StPO zur Hand)
> eben nicht auf das Internet anwendbar ist.

Oh, nein, nein, natürlich ist grundsätzlich das gesamte StPO
Instrumentarium auf das Internet anwendbar (Wobei man aber gerade bei
der Email-Überwachung Bedenken haben kann...). Aber erst dann, wenn ein
Anfangsverdacht vorliegt.

> Wenn man es in eine dumme Frage kondensiert, koennte man auch
> Fragen, woher der Anfangsverdacht kommen soll, wenn die Polizei
> blind, taub und ohne Geruchssinn ist. 
Es ist juristisch Wohl ein Unterschied zwischen "Wahrnehmung" und
"Suche"

Wenn die nichts anschauen
> duerfen, dann kann es ausser Anzeige keinen Anfangsverdacht
> geben. 

Jetzt kommen wir in den präventiven (Gefahrenabwehr-)Bereich:

Die Polizei faehrt ja auch Streife und wenn was verdaechtig
> ist, schauen sie sich das genauer an. Nach Deiner Meinung muessten
> die aber mit geschlossenen Augen Auto fahren. Irgendwie ist das
> alles nicht schluessig.

Nein, die schlichte Autostreife tut den Bürgern nicht weh. Die virtuelle
Streife schon. Argu: Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
  

> Dies zu formulieren, halte ich fuer eine Herausforderung. 

Werde mich redlich und rhetorisch korrekt mühen. Es dreht sich um den
Begriff des Grundrechtseingriffs. Den Schutzbereich "Recht auf
informationelle Selbstbestimmung" haben wir ja definiert. Nur wann wird
dieses Recht tangiert oder berührt ? Wenn ich es als "Bürger muß wissen,
was der Staat über ihn weiß" verstehe sehe, ich einen eklatanten
Unterschied zur Autostreife von POM Klemmerle in Tübingen... 

> Nur zur Klarstellung: Ich rede von Repression. 
Hm. Ich meinte eigentlich die Prävention "Vorsorglich mal gucken". Es
klingt vielleicht etwas schizophren, aber wenn ein klassicher
Anfangsverdacht (!) besteht, sind mir die Eingriffsbefugnisse der
Strafverfolgungsbehörden zum Teil sogar zu schwach.


> > Daraus kann man m.E.erkennen (wobei hier ein weiteres Problem in Art. 13
> > GG liegt):
> 
> Wo Du das Problem mit Art 13 siehst ist mir ein Raetsel. Dessen
> Schutzbereich ist hier nicht tangiert. Art. 13 GG betrifft den
> Schutz der Wohnung. Der einzige Anknuepfungspunkt waere, wenn
> ich von zu Hause ein Up-Load mache. Hier zieht eben der Vergleich
> mit den Zeitschriften gerade nicht.

Nein, war nur im Zusammenhang mit der Vorschrift aus dem Jugendschutz
zitiert zur Frage: "Darf die Polizei (als funktional handelndes
Staatsorgan) einfach in Zeitschriftenläden mal nach dem Rechten oder
Linken sehen"


> Das Problem liegt also in der Automatisierung...., also Orwell oder
> der elektronische Blockwart... wir kommen der Sache naeher.

Genau. Hier ist auch der Unterschied zwischen Fußstreife und
Datenautobahnstreife angesiedelt (neben anderen Besonderheiten:
unsichbar - spurenlos - Verknüpfbarkeit der Informationen -
Dauerhaftigkeit der Streifenergebnisse..etc). Hier möchte ich wieder das
Volkszählungsurteil fruchtbar machen...


> Das ist kein Datenschutzproblem im eigentlichen Sinne, sondern ein
> Problem der allgemeinen Handlungsfreiheit und des allg. Persoenlich-
> keitsrechts, das auch Daten betrifft.

Gut. Juristen lieben Schubladen...


> Dieses Argument ist sogar eines Erstsemesters Jura nicht wuerdig.

Verstehe ich jetzt nicht. In der Aufgabenzuweisungnorm steht kein
"darf". Für Eingriffe reicht die aber anerkanntermaßen nicht (Trennung
Aufgaben und Befugnisnorm). Die Befugnisse des BKA sind in den §§ 7 BKAG
geregelt. Meske beruft sich selbst auf § 1 BKAG
(=Aufgabenzuweisungsnorm). 

Ansonsten: Echte polizeiliche Exekutivbefugnisse hat das BKA nur für den
Schutz von Verfassungsorganen. § 2 IV BKAG paßt halt auch nicht. Wobei
man dort  am Wortlaut sehr schön die abschließende Regelung und die
Trennung zwischen "Gefahrenabwehr" und "Strafverfolgung" sieht.

> Das Problem des Nicht-Stoerers aus dem PolizeiR wurde von Dir also
> entgegen der herrschenden Meinung und des Gesetzgebers aufgegeben ;-)
> Eine mutige These!

Nein, keine These. Eher mißverständlich formuliert. Bitte streichen.
 

> Wir kommen der Sache also noch naeher. Das Problem waere wohl nicht,
> wenn ein Polizist vor dem Daimler-Stadion steht, sondern, dass es
> gespeichert wird. Der Polizist hat ja auch 2 optische Devices im
> Gesicht. Ein weiteres Problem ist die Heimlichkeit. Man weiss nicht
> ob es filmt und was gefilmt wird, aber man sieht, ob der Polizist
> guckt oder nicht. Ausserdem gibt es in diesem unserem Lande
> leider wahrscheinlich mehr Video-Kameras als Polizisten....

Einverstanden. Leiten wir das zwanglos 1. in die Begründung der
Eingriffsqualität der Internetstreife ein und suchen dann 2. nach einer
echten Befugnisnorm und Zuständigkeit für das BKA.

Übrigens sieht man am qualitativen Unterschied der Streifen *warum* der
Gesetzgeber mit dem Problem befasst sein sollte und aus welchem Grund
ich so beharrlich auf den Vorbehalt des Gesetzes poche. Nur im
parlamentarischen Prozeß kann nämlich das Übermaßverbot zur Geltung
kommen und die Frage beantwortet werden "Wollen wir das ?".

Falls wir eine Befugnisnorm für das BKA noch finden sollten, werde ich
notfalls die Wesentlichkeitsrechtsprechung des BVerfG bemühen müssen :-)

Ade aus Tuebingen,

Sierk