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Re: Telepolis über Lutterbeck-Gutachten und



lutz@iks-jena.de (Lutz Donnerhacke) schreibt:

> >> Noch anders: Steuerhinterziehung ist Volkssport.
> >>              Patentignorierung ist Programmierersport.
> >
> >Da sind wir uns also einig.
> >Offenbar mit dem Unterschied, dass du die Patentinflation für ebenso
> >unvermeidbar hälst wie die Steuerinflation.
> 
> Nein. Ich lache nur über die Patentinflation.
> Hier versuchen einige Leute besonders viele Sandfiguren zu bauen. Sollen sie
> doch. Ich habe besseres zu tun.
> 
> >> Glaub mir einfach: Das Recht gehört ausgebürstet und kanonifiziert. Diese
> >> jahrhundertealte Flickschusterrei ist das Grundübel von Justizia.
> >
> >Ja, das versuchen wir.
> 
> Eure Vorschläge widersprechen dieser Aussage.
> 
> >Das Gegenteil von Flickschusterei ist allerdings Radikalität, und die hat
> >in der Politik ihre Kosten.
> 
> Falsch. 

Als Gegenteil zu "Flickschusterei" kann ich mir nur "grundlegende
Reform" o.ä. vorstellen.  Ein Synonym von "grundlegend" ist "radikal".
Was gibt es gegen dieses Begriffspaar einzuwenden?
 
> Denk bitte an Gödel: Flickschusterei hilft nicht, ein klares
> Grundgerüst allerdings schon.

Deshalb haben wir uns ja auch 5 relativ grundlegende Ansätze ausgedacht.

> >> >Initiative 5 liefert sogar ein Rezept für die Entbürokratisierung des
> >> >Patentwesens.
> >> 
> >> Kurzfassung: 'Jede Veröffentlichung eines Patentes im Internet gebiert einen
> >> Patentanspruch.'
> >
> >Jede formgerechte Veröffentlichung.
> > 
> >> Wer dieser Veröffentlichung erfolgreich widerspricht, ruiniert den
> >> Veröffentlicher.'
> >
> >Warum "ruiniert" ?
> >Es geht um eine bestimmte Summe, die vielleicht geringer ist als die
> >abzuschaffenden Patentgebühren.
> >Wer erfolglos widerspricht, zahlt die Prozesskosten beider Seiten.
> > 
> >> Ansehbare Folgen: Tüftler und Softwareentwickler erstellen keine
> >> Patentveröffentlichungen, weil sie das Risiko nicht tragen wollen. 
> >
> >Das Risiko kann man vermeiden, indem man ordentlich recherchiert und eine
> >ordentliche Patentschrift erstellt.  Genau wie heute.  Nur wird die Last
> >dieser Aufgabe nicht nach Gießkannenprinzip gleichermaßen über gute und
> >schlechte Patentanmeldungen verteilt sondern dem Verursacher aufgebürdet.  
> >Dadurch entsteht ein verstärkter Wettbewerb unter Recherchedienstleistern,
> >der für billigere Angebote sorgt.
> >
> >> Große Firmen veröffentlichen alles, was automatisierbar in die
> >> notwendige Form zu bringen ist und halten sich gegenseitig die
> >> Einsprüche vom Leib.
> >
> >Genau das können sie dann nicht mehr:  die Einsprüche kommen dann von
> >Privatleuten und Vereinen, die durch die Erfolgsprämie entschädigt werden.
> >Die Großfirmen müssen dann endlich zweimal nachdenken, bevor sie die
> >Patentämter weiter mit frivolen Anträgen zumüllen.
> 
> Hartmut, ich habe es extra für Dich nochmals gequotet: Wo ist der Vorteil?
> Warum sollte jemand unproduktiv sein und auch Sandförmchen bauen? 

Es ist nicht unbedingt unproduktiv, wenn jemand ein neues Medikament
entwickelt und diese Investition durch ein Patent vor allzu schneller
Nachahmung schützt.

> Noch dazu,
> wenn jede seiner Veröffentlichungen dazu führen kann, daß er
> angepinkelt wird?

Das ist auch schon jetzt der Fall.
Für ein Patent muss man im Schnitt hohe Gerichtskosten einkalkulieren.
Jemand bezifferte die auf ca 100000 DEM.

Bei dem vorgeschlagenen System gibt es keinen Anreiz, gegen ein Patent
vorzugehen, gegen das man nicht sehr gute Karten in Form von
neuheitsschädigen Beweisen hat.

> Alles, was Du hier vorschlägst lautet auf einen Nenner gebracht:
>   'Patentämter prüfen nicht richtig, also lassen wir sie weg und verlagern
>    die Prüfung mit hohem Kostenrisiko auf die Gerichte.'

Nein: wir verlagern die Prüfung auf die Öffentlichkeit und belohnen diejenigen,
die die Arbeit machen.
 
> Nein, Hartmut, das ist keine Lösung. Das ist so ziemlich der dunkelste
> Holzweg, den ich je gesehen habe.


Dir ist bekannt, dass in Frankreich bereits vor einigen Jahren die
Prüfung abgeschafft wurde?  Man hält das dort allgemein für den
richtigen Weg.  Sowohl im Patentamt als auch bei den Kunden.  Die
Klagen über das Prüfungswesen sind alt.  Man findet sie sogar in dem
Kolle-Artikel von 1977 am Anfang.  Schon damals machte man sich
darüber Gedanken, ob dieses System seinem Anspruch gerecht wird.

Wie ich sehe, fehlt es in Deutschland noch immer an der nötigen
Phantasie, um die Marktgesetze produktiv das tun zu lassen, was sie
gut tun können.  Noch immer gibt es zu wenig und nicht zu viel
Liberalismus, einschließlich Markt-Liberalismus.

> >> http://swpat.ffii.org/stidi/eurili/indexde.html
> >> Prägnant ist das nicht. Eher pregnant. Es wird eine Monster gebären.
> >
> >Begründung?
> >Hier wird in einer DIN-A4-Seite klar erklärt, was das bestehende Gesetz
> >bedeutet, während das EU-Konsultationspapier zum Verdunkeln ca 20 Seiten
> >braucht.
> 
> Es ist eine DIN-A4-Seite, die zusätzlicher Gesetzestext werden
> soll. 

Nicht wir haben beschlossen, eine Swpat-Richtlinie zu erlassen.
Falls die EU-Kommission das wirklich tun will, ist unser Entwurf der
bei weitem kürzeste und klarste Kandidat, den ich bisher gesehen habe.

Im DE sollte das momentan lediglich eine Art Parlamentsbeschluss werden.
Vielleicht reicht das, um die Gerichte auf den Weg des Gesetzes
zurückzubringen.  Denn das ist nichts anderes als eine Erläuterung des
Gesetzes, wie es sich einem gesetzestreuen Gericht von selbst
erschließt.  Letztlich ist es eine Stellungnahme für den 17. Senat des
BPatG und gegen den 10. Senat des BGH.  Wenn letzterer weiterhin die
Wünsche des EPA und seiner Großkunden über das Gesetz zu stellen
entschlossen sein sollte, kann man natürlich auch das PatG präzisieren. 

> Bitte, Hartmut, wo ist da eine Problemlösung? Diese DIN-A4-Seite
> enthält nichts weiter als die Ausschlußklausel für ein Gebiet, von
> dem Du glaubst, es wäre umfassend. Leider ist es das aber nicht. Das
> Problem der Patentierbarkeit von Verfahren liegt tiefer. Und das
> löst man nicht durch neue Absätze, sondern durch Streichung zu
> umfangreicher Regeln.

Art 52 EPÜ / §1 PatG ist nun wirklich nicht gerade als "umfassend" zu
bezeichnen.  Es hat sich gezeigt, dass diese flüchtigen Formulierungen
allerlei Fehlinterpretationen zulassen.

> >> Nichts gewonnen, nur alles noch schlimmer gemacht. Prima, Herr Pilch! 
> >
> >Bezieht sich das auf alle 5 Initiativen?
> 
> Jetzt ja, im Zitat war es nur auf den Absatz bezogen.

Was für Initiativen wären als Alternative zu empfehlen?

> >Gibt es bessere Optionen oder bleibt nur der Volkssport "Austricksen des
> >XXX-Amtes"?
> 
> Extreme Vereinfachung des Rechts.

Wie soll das gehen?

M.E. ist die Regel von Art 52 EPÜ / §1 PatG schon sehr gut und
einfach.  Aber leider inzwischen erläuterungsbedürftig.  Deshalb gibt
es die DIN-A4-Seite http://swpat.ffii.org/stidi/eurili/

Manches ist einfach von der Natur der Sache her recht kompliziert.  So
auch die Unterscheidung zwischen technischen Lehren und
abstrakt-logischen Problemlösungen.  Das Einstein-Wort "So einfach wie
möglich, aber nicht einfacher" gilt m.E. auch hier.

M.E. ist das nicht mal sehr kompliziert.  Es erfordert aber eine
gewisse Bereitschaft, sich auf die Fragestellung einzulassen.  Diese
muss ich auch von Tom und einigen anderen Leuten fordern, die einfach
sich zurücklehnen und den Juristen die Kompetenz abstreiten möchten.
Sicher: die Juristen sind im Idealfall nur Formulierungshelfer, die
das umzusetzen haben, wass wir alle gemeinsam beschließen.  Aber wenn
wir zu faul sind, um eine brauchbare Regel zu beschließen, dann fällt
die Macht zwangsläufig den Juristen zu.  Und da die ebenfalls zu faul
sind, kommt eine Regel heraus, die nur den Juristen dient.

-phm