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Re: [FYI] SPD-Fraktion will mehr Jugendschutz(-Filter) im Internet



Oliver Gassner <carpe.com@gmx.de> writes:

>> Dies wär aber mal ein Grund, den Lehrplan zu reformieren, [...]

> Reformierten heisst streichen.

Nicht unbedingt. Für den Lehrplan im Mathematikunterricht gab es in
BaWü einige Ansätze zum zurückhaltenden Optimismus.

> Willste 100 Studnen NS-Zeit machen udn dafür Chemie kicken?
> (Jaja, jetzt werd ich auch noch polemisch.)

Nein, das, was von der Mathematik noch übrig ist, kann wegfallen. :-/ 
Stattdessen sollte man verstärkt das Bewußtsein für Geschichte, die
Logik der Forschung und die Fähigkeit zum Umgang mit abstrakten
Konzepten fördern (für letzteres könnte man auch Mathematik betreiben,
aber nicht die übliche Kurvendiskussion). Es ist erschreckend, wie
viele Menschen Ding an sich und Benennung nicht auseinanderhalten
können. Wenn man so etwas nicht an der Schule lernt, wo dann?

> Die überarbeiten gerade eh, wieder damikt sie itgendwann auf 12
> Jahre umstellen können. NUr _einbauen_ tun sie da so gut wie nix.

Die Reform des Oberstufenlehrplanes Mathematik wird jedenfalls nicht
mehr Mathematik bringen, sondern die vorsichtige Hinwendung zu einem
ergebnisoffeneren, kreativitätsfördernden Unterricht, wobei auch
das IIRC noch alles andere als sicher ist. Richtige Mathematik wird
man (jenseits der Mittelstufengeometrie, die manch erstaunliche
Qualität besitzt) in den nächsten fünfzig Jahren eher nicht in den
Lehrplan aufnehmen können. Der neue Lehrplan wird sich wohl oder
übel an der Praxis orientieren: In Baden-Württemberg gibt es durch
das Zentralabitur ein sehr starkes regulierendes Element, was die
Lehrinhalte der Oberstufe angeht. Dies hat zur Folge, daß Lehrer in
der Regel nur das behandeln, was geprüft wird, und nicht das, was
heute noch im Lehrplan steht -- wer will es ihnen verdenken, das
System belohnt derartiges Verhalten. Wirklich zentrale Begriffe der
Analysis verkommen zur Bedeutungslosigkeit, werden aber nicht gänzlich
weggelassen. Ein Schüler vom Schlage eines Euler wird keine Probleme
haben, diesem Voodoo Sinn zu verleihen, der durchschnittliche hingegen
wird lernen, mit Symbolen (statt mit Konzepten) zu hantieren -- wenn
es gut geht, ansonsten wird er gar nichts lernen und lediglich die
Beobachtung aus dem Unterricht mitnehmen, daß Mathematik grundsätzlich
etwas schreckliches sei. Bei der üblichen Präsentation ist das ihm
nicht einmal zu verdenken. (Ich muß allerdings erwähnen, daß wir
unten den gegebenen Umständen einen sehr guten Mathematikunterricht
in der Oberstufe hatten. Allerdings reicht es aus, einen Blick in die
aktuellen Schulbücher zu werfen, um festzustellen, daß das schwerlich
überall der Fall sein kann.)

Oops, jetzt bin ich doch ein bißchen vom Thema abgekommen. Jedenfalls
befürchte ich, daß in Zukunft die gewöhnliche Schullaufbahn immer
weniger geeignet sein wird, den Grundstein für Fertigkeiten zu legen,
die uns befähigen, in komplexem Umfeld sinnvoll zu agieren -- ob mit
oder ohne Internet.